{"id":347,"date":"2024-05-02T14:59:33","date_gmt":"2024-05-02T14:59:33","guid":{"rendered":"https:\/\/ha-logo.de\/?page_id=347"},"modified":"2024-05-02T15:04:44","modified_gmt":"2024-05-02T15:04:44","slug":"barrierefreiheit","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/ha-logo.de\/barrierefreiheit\/","title":{"rendered":"Barrierefreiheit"},"content":{"rendered":"\n

Digitale Barrierefreiheit und die Ausnahmeregelung der unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigen Belastung<\/h1>\n\n\n\n

 DOCTYPEFOKUSTHEMEN   14.07.2023<\/p>\n\n\n\n

Die Anforderungen an barrierefreie IT sind vielf\u00e4ltig und lassen sich in verschiedensten Standards, Normen, Verordnungen und Gesetzen wiederfinden. Umsetzerinnen und Umsetzer sto\u00dfen dabei zwangsl\u00e4ufig auf den Begriff der \u201eunverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigen Belastung\u201c im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Doch was bedeutet \u201eunverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung\u201c in diesem Zusammenhang und wann greift diese Ausnahmeregelung?<\/p>\n\n\n\n

Verpflichtung zur Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit<\/h2>\n\n\n\n

\u00d6ffentliche Stellen in Deutschland und in der EU sind verpflichtet, die digitale Barrierefreiheit umsetzen. Dies beruht im Kern auf der EU Richtlinie 2016\/2102, die auf Bundesebene im BGG und in den L\u00e4ndern in verschiedenen Landesgesetzen umgesetzt wurde.<\/p>\n\n\n\n

Neben den Gesetzen und Richtlinien f\u00fcr die digitale Barrierefreiheit auf Bundesebene existieren auch auf Landesebene und damit auch f\u00fcr die Kommunen entsprechende Regelungen. Die gesetzlichen Vorgaben auf Landesebene sind in l\u00e4nderspezifischen Gesetzen und Regelungen formuliert. Diese k\u00f6nnen auf Ebene des jeweiligen Bundeslandes auf den Seiten der Bundesl\u00e4nder entnommen werden, die im Artikel zu den l\u00e4nderspezifischen Regelungen verlinkt sind.<\/p>\n\n\n\n

Unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung als Ausnahmeregelung<\/h2>\n\n\n\n

Die in deutsches Recht umgesetzte EU-Richtlinie l\u00e4sst einzelne Ausnahmen zur Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit zu. Eine davon betrifft die sogenannte unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung. Von dieser Ausnahmeregelung haben auch der Bundesgesetzgeber und einige L\u00e4nder Gebrauch gemacht. Diese gilt f\u00fcr den Fall, dass die Umsetzung zu einer unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigen Belastung f\u00fchrt. Sie ist in \u00a7 12 a Absatz 6 BGG wie folgt formuliert:<\/p>\n\n\n\n

\u00a7 12 a BGG \u2013 Barrierefreie Informationstechnik<\/h2>\n\n\n\n

(6) Von der barrierefreien Gestaltung k\u00f6nnen \u00f6ffentliche Stellen des Bundes ausnahmsweise absehen, soweit sie durch eine barrierefreie Gestaltung unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig belastet w\u00fcrden.<\/p>\n\n\n\n

Quelle: gesetze-im-internet.de<\/a><\/p>\n\n\n\n

Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang \u201eunverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig\u201c? In der EU<\/abbr> Richtlinie 2016\/2102<\/a> ist die unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung in Erw\u00e4gungsgrund 39 definiert.

Aus diesem Erw\u00e4gungsgrund gehen nun mehrere Aspekte hervor: Eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung kann nur einzelne Inhalte betreffen und nicht bspw. eine gesamte Website. Dennoch m\u00fcssen die betroffenen Inhalte so barrierefrei wie m\u00f6glich gestaltet werden. Es d\u00fcrfen lediglich jene Anforderungen unerf\u00fcllt bleiben, die daf\u00fcr sorgen w\u00fcrden, dass erst eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung entsteht. Alle \u00fcbrigen Barrierefreiheitsanforderungen sind dennoch zu erf\u00fcllen. Der Erw\u00e4gungsgrund definiert gleichzeitig Bedingungen f\u00fcr eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung, wobei der Rahmen hierf\u00fcr eng gefasst ist.

In Artikel 5 der EU-Richtlinie 2016\/2102 wird schlie\u00dflich beschrieben, wie eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung festgestellt werden kann und wie mit dieser Einsch\u00e4tzung zu verfahren ist.<\/p>\n\n\n\n

Warum greift diese Ausnahmeregelung nur selten?<\/h2>\n\n\n\n

Die Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit ist ein entscheidender Schritt, allen Menschen unabh\u00e4ngig von ihrer F\u00e4higkeit oder momentanen Situation den Zugang zu digitalen Informationen und die Nutzung von digitalen Diensten zu erm\u00f6glichen. Die Ausnahmeregelung dient dazu, \u00f6ffentliche Stellen vor einer unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigen Belastung bei der Umsetzung zu sch\u00fctzen. Die generelle gesetzliche Verpflichtung zur Umsetzung besteht jedoch weiterhin, da die gleichberechtigte Teilhabe und Inklusion hohe G\u00fcter darstellen. Dies bedeutet, dass in der Feststellung einer Ausnahme eine G\u00fcterabw\u00e4gung nach festgelegten Kriterien erfolgen muss, die am Ende feststellt, welches Gut im konkreten Fall \u00fcberwiegt.

Zu diesem Zweck definiert der zuvor zitierte Erw\u00e4gungsgrund begrenzte M\u00f6glichkeiten zur Beurteilung einer unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigen Belastung. \u201eKeine berechtigten Gr\u00fcnden\u201c sind demnach mangelnde Priorit\u00e4t, die dem Thema beigemessen wird, fehlende Zeit, sich mit dem Thema sowie der Umsetzung zu befassen, oder fehlende Kenntnis \u00fcber die bestehenden Barrierefreiheitsanforderungen. Dies bedeutet wiederum auch, dass mangelnde personelle Ressourcen und fehlendes Wissen innerhalb der Institution ebenfalls keine Kriterien zur Nutzung der Ausnahmeregelung darstellen.<\/p>\n\n\n\n

Gleiches gilt laut europ\u00e4ischem Gesetzgeber f\u00fcr das Fehlen barrierefreier Hardware und Software, da ausreichende M\u00f6glichkeiten vorhanden sind, barrierefreie Hardware und Software zu beschaffen oder mit Hilfe vorhandener Dokumentationen zu erstellen.<\/p>\n\n\n\n

F\u00fcr Bundesbeh\u00f6rden gilt eine gesetzliche Verpflichtung zur Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit bereits seit 2006. Ein ausreichend langer Vorlauf f\u00fchrt hier nahezu zum Ausschluss der M\u00f6glichkeit, sich auf eine Ausnahme wegen unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfiger Belastung zu berufen. Dieses Kriterium wird perspektivisch f\u00fcr alle Beh\u00f6rden in Deutschland und der EU gelten, je l\u00e4nger die gesetzliche Verpflichtung besteht.

Nach Artikel 5 der EU-Richtlinie 2016\/2102 muss eine Bewertung der Vor- und Nachteile einer barrierefreien Gestaltung erfolgen. Hierbei sind die Bed\u00fcrfnisse an Information vor allem von Menschen mit Behinderung gegen\u00fcber den im Einzelfall nicht barrierefrei herzustellenden Inhalten abzuw\u00e4gen. Dies bedeutet, dass nicht der gesamte Inhalt nicht barrierefrei gestaltet werden kann, durch Nutzung dieses Ausnahmetatbestandes, sondern nur einzelne Inhalte. Die Inhalte, die aufgrund einer unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigen Belastung nicht barrierefrei gestaltet werden k\u00f6nnen, sind nebst Begr\u00fcndung der Unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigkeit in der Erkl\u00e4rung zur Barrierefreiheit aufzuf\u00fchren. Dar\u00fcber hinaus sind Angaben zu einer barrierefreien Alternative zu den entsprechenden Inhalten darzustellen.
Die Begr\u00fcndung der Unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfigkeit mit dem Argument mangelnder Nutzung der Inhalte durch Menschen mit Behinderungen beruht in der Regel auf nichtzutreffende Vorstellungen von Menschen mit Behinderungen und ist daher nicht ausreichend.<\/p>\n\n\n\n

Was sind Beispiele f\u00fcr eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung?<\/h2>\n\n\n\n

Das Bewerberportal der Polizei w\u00e4re ein m\u00f6gliches Beispiel, bei dem eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung vorliegt. Bewerberinnen und Bewerber m\u00fcssen den \u00fcblichen Ausbildungsprozess durchlaufen. Dazu z\u00e4hlt auch die Ausbildung sowie der Dienst an der Waffe. Aus diesem Grund k\u00f6nnen blinde Personen von dieser T\u00e4tigkeit ausgeschlossen sein. Dies f\u00fchrt dazu, dass Nutzen und Aufwand der barrierefreien Gestaltung des Bewerberportals f\u00fcr blinde Personen eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung darstellen.

Dennoch sollten weitere Barrierefreiheitsanforderungen, die beispielsweise Menschen mit anderen Einschr\u00e4nkungen helfen, ber\u00fccksichtigt und entsprechend umgesetzt werden. Dazu z\u00e4hlen z. B. die Anforderung an einen ausreichenden Kontrast: Text und Hintergrund sollten die Mindestkontrastwerte einhalten.<\/p>\n\n\n\n

Fazit<\/h2>\n\n\n\n

Die gesetzlichen Grenzen zur Nutzung einer Ausnahmeregelung sind sehr eng, da die digitale Barrierefreiheit zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe f\u00fchrt und eine Ausgrenzung verhindern soll. Eine sorgf\u00e4ltige Abw\u00e4gung von relevanten Aspekten ist gesetzlich vorgegeben und von der Beh\u00f6rde durchzuf\u00fchren, die sich auf die Ausnahmeregelung berufen m\u00f6chte. Mangelnde Priorit\u00e4t, Zeit oder Kenntnisse rechtfertigen keine Ausnahme. Ausnahmen beziehen sich immer auf Einzelf\u00e4lle und spezifische Aspekte und k\u00f6nnen zeitlich begrenzt sein. Sie bedeutet auch nicht, dass die digitale Barrierefreiheit insgesamt nicht beachtet werden muss. Die Ausnahme gilt nur f\u00fcr den einzelnen spezifischen Aspekt und nur in dem Umfang, der notwendig ist, um eine unverh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfige Belastung so gering wie m\u00f6glich zu halten. Dementsprechend ist festzustellen, dass bereits der europ\u00e4ische Gesetzgeber einen restriktiven Umgang mit der M\u00f6glichkeit einer Ausnahme der Nichtumsetzung der digitalen Barrierefreiheit vorgesehen hat und diesem Grundgedanken auch von den deutschen Beh\u00f6rden Rechnung zu tragen ist. Dies sichert den Zugang zu Informationen f\u00fcr Menschen mit Behinderung und sollte \u00f6ffentlichen Stellen ein wesentliches Anliegen sein.<\/p>\n\n\n\n

Stand: 14.07.2023<\/p>\n\n\n\n

Quelle: https:\/\/www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de\/SharedDocs\/kurzmeldungen\/Webs\/PB\/DE\/fokusthemen\/Digitale_Barrierefreiheit.html<\/a><\/p>\n\n\n\n

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